Wie queere Menschen die Motorsportgeschichte veränderten und bis heute prägen
- MIKA BÖCKER
- 30. Juni
- 16 Min. Lesezeit
Während sich der Pride Month dem Ende zuneigt, feiern und unterstützen wir die LGBTIQA+-Community weiterhin das ganze Jahr über: Unser*e Kolumnist*in Mika Böcker erkundet die Geschichte queerer Athleten im Motorsport – und welchen Beitrag sie geleistet haben und weiterhin leisten.

Der Motorsport war schon immer von Innovationen geprägt, war schon immer Vorreiter, warum also nicht auch im Bereich Diversität?
Queerfeindliche Stimmungen haben in den letzten Jahren weltweit an Einfluss gewonnen. Diese Entwicklungen wirken sich direkt auf marginalisierte Menschen aus. Diskriminierung und Angriffe auf queere Menschen nehmen weltweit zu, teilweise mit staatlicher Beteiligung. Gleichzeitig werden der Schutz vor Diskriminierung und die Unverletzlichkeit der Menschenrechte vielerorts in Frage gestellt.
Grundsätzlich demokratische Länder wie Großbritannien, Ungarn und Serbien zeigen, wie der Abbau eines sicheren, demokratischen Rechtsstaats mit dem Kampf gegen queere Menschen beginnt. Andere Länder wie die USA und Russland haben die Demokratie bereits hinter sich gelassen und zeigen Nachahmungen der NS-Zeit.
Diese bedrohlichen Entwicklungen machen auch vor dem Sport nicht Halt. Trans Frauen, nichtbinäre Menschen und Intersexuelle sind besonders betroffen. Basierend auf einem wissenschaftlich widerlegten, angeblichen Vorteil, den diese Menschen aufgrund ihres biologischen Geschlechts haben sollen, werden sie – angeblich zum Schutz von Frauen – vollständig vom Sport ausgeschlossen.
Dies gilt für alles, von Fußball über Kampfsport bis hin zum Schwimmen. Selbst weniger körperlich anstrengende Sportarten wie Darts, Billard und Schach sind für die Betroffenen ausgeschlossen. Während die Motorsportwelt von den 12 Stunden von Sebring abgelenkt war, versuchte der SCCA, sein Regelwerk so zu ändern, dass es so aussah, als könnten nur Cisgender-Männer an der von ihm kontrollierten Motorsportserie teilnehmen. Dieser Angriff auf die Teilnehmerrechte wurde durch heftige Proteste abgewehrt, zeigt aber, dass Diskriminierung queerer Menschen auch im Motorsport weit verbreitet ist.
Im Pride Month kämpfen wir für unsere Rechte, für unsere Existenz und für unser Überleben. Natürlich feiern wir, dass wir es so weit geschafft haben, was wir erreicht haben und dass wir so vielfältig sind. Der Stolz, uns nicht unterkriegen zu lassen, ist es, was wir feiern. An dieser Stelle muss ich als Autor*in offen sein und anerkennen, dass ich nicht nur Teil der Motorsportwelt, sondern als Nonbinary Perons (Pronomen They/Them) auch Teil der queeren Welt bin. Aus diesem Grund auch die mit * gegenderte Version der mich beschreibenden Wörter.
Angesichts der weltweiten Entwicklungen möchten wir von Racers einen Blick darauf werfen, wie sich das queere Leben in unserem geliebten Sport im Laufe der Zeit verändert hat, welche Erfolge LGBTIQA+-Personen erzielt haben, und in diesen schwierigen Zeiten ein Zeichen für Vielfalt setzen. Motorsport ist eine der wenigen Sportarten, in der das Geschlecht der Teilnehmenden keine Rolle spielen sollte, und körperliche Unterschiede sind weniger bedeutsam als beispielsweise im Kampfsport.
Der Sport war nicht immer die Domäne heterosexueller Männer, als die wir ihn noch vor Kurzem betrachteten. Wie wir in unserem Beitrag zum Internationalen Frauentag beschrieben haben, verdanken wir vielen Frauen seit den Anfängen des Motorsports viel. Doch es gibt auch einige queere Menschen, ohne die der Rennsport heute – und in manchen Fällen vielleicht sogar die ganze Welt – anders aussehen würde.
Eine frühe Pionierin des Motorsports, wenn auch auf dem Wasser, war die 1900 geborene Britin Marion Barbara "Joe“ Carstairs. Sie war offen lesbisch, zu einer Zeit, als wir das im Rückblick als äußerst schwierig bezeichnen würden. Zu ihren Partnern während und nach dem Ersten Weltkrieg gehörten Dolly Wilde und Marlene Dietrich. Sie heiratete jedoch einen Freund aus Kindertagen, da die gleichgeschlechtliche Ehe damals nicht möglich war und sie unabhängig von ihrer Mutter werden wollte.

Schon während des Krieges sammelte sie Fahrerfahrung und fuhr Krankenwagen bei Notrufen. Nach dem Krieg gründete sie mit ihren Angehörigen die X Garage, einen Mietwagen- und Chauffeurservice, der ausschließlich Frauen beschäftigte. Mit dem Erbe ihrer Mutter finanzierte sie ihren Motorsport, indem sie Schnellboote bauen ließ und an Bootsrennen teilnahm. Hier konnte sie wichtige Rennen gewinnen, Rekorde aufstellen und später die Karrieren anderer Rennfahrer finanzieren.
Unter anderem war sie am Geschwindigkeitsrekord von Blue Bird beteiligt. Später zog sie sich auf die Bahamas zurück. Dort errichtete sie nicht nur ihr eigenes Anwesen, sondern auch einen Leuchtturm, Schulen, Kirchen und mehrere Unternehmen, die bis heute einen wichtigen Teil der lokalen Wirtschaft ausmachen. Sie ließ auch Wohnprojekte für die Einheimischen errichten.
Eine ähnliche Pionierin des Motorsports und des queeren Lebens ist Roberta Cowell. Sie gilt als die erste britische trans Frau, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzog. Nach eigenen Angaben in ihrer Autobiographie sah sie sich selbst in ihrer Jugend nie als weiblich oder wollte so wahrgenommen werden. Verschiedene Entwicklungen während der Pubertät führten jedoch zu subtilen körperlichen Formen, die von anderen manchmal als weiblich wahrgenommen wurden.
Sie war schon immer von Geschwindigkeit und dem damit verbundenen Glamour und Ruhm fasziniert; schon früh begann sie, an Autos zu basteln und eigene Sport- und Rennwagen zu bauen, entweder komplett neu oder basierend auf bestehenden Fahrzeugen.
Trotz ihrer ausgeprägten Flug- und Höhenangst strebte sie eine Karriere als Kampfpilotin an – und nach einem Ingenieurstudium während des Krieges erreichte sie dieses Ziel. In den 1930er Jahren nahm sie an zahlreichen Rennveranstaltungen teil, manchmal sogar an mehreren an einem einzigen Wochenende. Die meisten dieser Rennen fanden im Vereinigten Königreich statt, aber sie startete auch im belgischen Spa-Francorchamps und auf verschiedenen Rennstrecken in Frankreich. Sie feierte mehrere Erfolge, darunter auch bei Rennen, die später Teil der 1950 ins Leben gerufenen Formel-1-Weltmeisterschaft wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die erlebten Schrecken zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ein schottischer Psychiater, der sie später behandelte, erkannte angeblich ihr weibliches Unterbewusstsein. Sie kannte diese weibliche Seite seit ihrer Kindheit, versuchte aber stets, einem möglichst maskulinen Rollenbild zu entsprechen. Sie übte Kampfsport, prügelte sich mit anderen Teenagern, interessierte sich für Mechanik und rauchte.
Gleichzeitig hatte sie schon damals eine starke Abneigung gegen das männliche Geschlecht und damit auch gegen männliche Homosexuelle. Ihr fehlte nun die Energie, gegen die Weiblichkeit anzukämpfen, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität war. Über eine befreundete Medizinstudentin erhielt sie hohe Dosen Östrogen und begann eine hormonelle Transition. Sie beantragte auch eine Geschlechtsangleichung, die ihr jedoch verweigert wurde, da – entgegen ihrer eigenen Überzeugung – nachgewiesen wurde, dass sie nicht intersexuell war.
Mit verschiedenen Tricks gelang ihr 1951 schließlich die Operation. Aufgrund dieser Operation und der geänderten Geschlechtszugehörigkeit wurde sie von Grand-Prix-Rennen ausgeschlossen und nahm stattdessen an Bergrennen und im Fahrzeugbau teil.
Durch ihre Transition und ihre Motorsportaktivitäten wurde sie zu einer queeren Pionierin. Leider hinderte sie dies nicht daran, selbst queerphobe Ansichten zu äußern. Sie behauptete wiederholt, intersexuell zu sein, obwohl es eindeutige Beweise für das Gegenteil gab. Ihre Beschreibungen dieser angeblichen Intersexualität variierten im Laufe der Zeit und beriefen sich oft auf verschiedene medizinische Erklärungen – viele davon waren medizinisch widerlegt oder hätten auf Unfruchtbarkeit hindeutet, was durch die Tatsache, dass sie leibliche Kinder hatte, widerlegt wird.
Bis zu ihrem Tod beanspruchte sie ihre Intersexualität jedoch als Alleinstellungsmerkmal, um sich von trans Frauen abzugrenzen. Sie bezeichnete trans Frauen häufig als Nachahmerinnen ihrer selbst, die einem Trend folgten und dies später bereuten.

Auch unser nächster Star schrieb Geschichte: Lella Lombardi. Sie ist eine von nur zwei Frauen, die jemals in der Formel 1 an den Start gingen, und bekanntlich die einzige, die Punkte holte. Sie landete zudem mehrfach unter den Top Ten, unter anderem auf dem berüchtigten Nürburgring und in Montjuïc in Spanien, wo sie ihren historischen halben Punkt holte. Sie ist zudem die erste Frau, die in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) antrat, wenn auch nur als Gastfahrerin. Sie war auch im Sportwagensport sehr aktiv und startete viermal in Le Mans, wobei der elfte Platz 1977 ihr Höhepunkt war.
Viele Konkurrenten, insbesondere in der Formel 1, konnten es nicht ertragen, gegen Lombardi zu verlieren – und als Lesbe machte sie ihre Präsenz doppelt zur Außenseiterin. Während ihrer gesamten Karriere versuchten viele, ihren Erfolg zu behindern, darunter auch Sabotageversuche an ihren Rennwagen.
Die Italienerin ließ sich jedoch nicht beirren. Anstatt aufzugeben, setzte sie ihre Karriere nicht nur entschlossen fort, sondern sprach sich auch regelmäßig gegen die Diskriminierung von Frauen und Fahrern im Motorsport aus. Ihr wird zugeschrieben, die Formel 1 für Frauen zugänglicher gemacht zu haben. Nach ihren Erfolgen stiegen viele Frauen in den Sport ein, nicht nur als Fahrerinnen, sondern in verschiedenen Rollen.
Dennoch gab es auch viele Fahrer*innen, die sich gern an Lombardi erinnerten. Vor allem ihre Eigenheiten hinterließen einen bleibenden Eindruck. Sie galt als charmant, aber auch als eigensinnig und äußerst unabhängig – vor allem aber als geschickte und sichere Fahrerin. Sie ging die Dinge gerne auf ihre eigene Art und pflegte ein Image, das ausdrückte: Ich bin stark, leg dich nicht mit mir an.

Ihre Sexualität war im Fahrerlager nie wirklich ein Thema, da sie ihre Freundin meist nicht mitbrachte. So konnte sie sich erfolgreich gegen die schmutzigen Tricks gekränkter Männeregos wehren. Bis zu ihrem frühen Tod beklagte sie die Ungleichheit in der Formel 1 und wünschte sich nur, dass das, was sie für den Sport erreicht hatte, für immer erhalten bliebe.
Etwa zeitgleich mit Lombardi war ein weiterer queerer Mensch in der Formel 1 aktiv. Der Brite Mike Beuttler gilt als der erste offen schwule Formel-1-Fahrer und als einer der wenigen, die sich jemals geoutet haben. In seinen frühen Jahren war er Teamkollege von Ronnie Peterson und dem dreifachen Weltmeister Niki Lauda, doch seine weitgehend erfolglose Karriere geriet in Vergessenheit. Diese wurde vor allem durch die Ölkrise beendet, als die Sponsorengelder versiegten. Dennoch galt er bis zum Schluss als zäher Kämpfer. Nach dem Karriereende zog er sich nach Kalifornien zurück und verschwand aus der Öffentlichkeit.
Beuttler wurde von Kollegen und Journalisten allgemein positiv gesehen, wie jemand, den man in jeder Bar trifft, einfach ein netter Mensch. Trotz seiner sexuellen Orientierung hatte er zu den Rennen immer eine Freundin dabei, wie es damals ganz normal war. Die britische Gesellschaft war damals alles andere als offen genug, um seine Homosexualität anzuerkennen oder zu akzeptieren; er war dort gezwungen, sich zurückzuhalten, was einer der Hauptgründe war, warum er nach Kalifornien ging, wo man damals offener war.
Der Journalist Ian Philips, der damals über die Formel 1 berichtete, sagte, dass kaum jemand wirklich wusste, dass Beuttler schwul war, und dass es sich damals größtenteils nur um Spekulationen handelte. Niemand machte sich die Mühe, der Sache näher nachzugehen, da es damals noch verpönter war als heute. Niemand hätte sich freiwillig geoutet. Außerdem sorgte seine weibliche Begleitung für eine gute Ablenkung.
Letztendlich störte es die meisten aber nicht, denn Beuttler war ein so liebenswerter Mensch und einfach Teil des Sports, den er liebte. Außerdem wurde damals einfach nicht darüber gesprochen. Ähnlich wie im heutigen Fußball, wo es sicherlich viele queere Menschen gibt, ist ein Coming-out aufgrund der Machokultur nach wie vor nahezu unmöglich. Erst in den folgenden Jahren wurde es etwas einfacher, wie das Coming-out ehemaliger Rennfahrer später zeigen sollte.

Experten sind sich einig, dass das Verbergen seiner Identität und die Angst vor Entdeckung den Briten stark belasteten und seine Leistung auf der Rennstrecke beeinträchtigten. Seine Geschichte dient heute als Inspiration für aktuelle Fahrer, da es aus ihrer Sicht bereits zuvor queere Menschen im Motorsport gab. Beuttler war sicherlich nicht der erste schwule Mensch in einem Rennwagen und wird auch nicht der letzte sein, doch trotz der damaligen Bedingungen für queere Menschen war er ein Mensch voller Lebensfreude. Philips bringt es treffend auf den Punkt: Er war in erster Linie ein Mensch, der sein Leben lebte und mit sich selbst zufrieden war.
Natürlich gab es auch außerhalb der Formel 1 queere Starter*innen. Eine davon ist Michelle Ann Duff, eine ehemalige Motorradrennfahrerin in den 1960er-Jahren. Ihre erfolgreichste Saison war 1965, als sie den Großen Preis von Finnland gewann und den zweiten Platz in der Gesamtwertung belegte. In Japan erlitt sie einen beinahe tödlichen Unfall, den sie nur nach mehreren Notoperationen überlebte.
Duff heiratete 1963 eine Finnin und bekam in den folgenden Jahren zwei Kinder. Ihre Erfolge in diesen Jahren widerlegten den Mythos des berüchtigten "Vater Sekunde“. Erst 1984 vollzog sie ihre Geschlechtsangleichung und trennte sich anschließend von ihrer Frau.
In ihrer Autobiografie beschreibt sie ihre Erfahrungen jedoch nicht, da es dort ausschließlich um ihre Erfahrungen im Sport geht, die für sie eine höhere Priorität haben. Seitdem arbeitet sie als Fotografin, Journalistin und Autorin. Außer einigen engen Freunden hatte sie ihre Geschlechtsangleichung zuvor niemandem mitgeteilt oder angekündigt. Ehemalige Bekannte aus dem Sport erkannten sie anschließend nicht wieder und brachen vor lauter positivem Schock fast zusammen.
Die damalige Presse betonte jedoch ihre Geschlechtsangleichung stärker als ihre sportlichen Erfolge und nutzte diese höchstens in Schlagzeilen wie "Motorrad-Ass ist jetzt eine Frau“ oder "Das beeindruckende neue Leben der Gender-Transition-Championesse“. Zudem wurde sie auf ähnliche Oberflächlichkeiten reduziert wie Cis-Frauen. Sie selbst erklärte in Interviews, dass sie keine Reue für ihre Geschlechtsangleichung empfinde und einfach so akzeptiert werden wolle, wie sie ist.

Obwohl ihre Geschlechtsangleichung erst nach ihrer Karriere und mit über 45 Jahren stattfand, zeigte Duff schon früh eine feminine Seite. Mit sieben Jahren trug sie heimlich die Kleidung ihrer Mutter, da sie sich in femininer Kleidung ihrer Aussage nach einfach entspannter fühlte.
Zu dieser Zeit hatte sie jedoch keine Ahnung von ihrem Geschlecht oder ihrer Sexualität. Mit zunehmendem Alter erkannte sie, dass ihre Gefühle nicht verschwinden würden und dass etwas getan werden musste. Während ihrer gesamten Karriere trug sie unter ihrer Rennkleidung feminine Kleidung, traute sich aber erst während ihrer zweiten Ehe, die Geschlechtsangleichung vorzunehmen. Ihre Geschichte zeigt, zu welchem Doppelleben queere Menschen verdammt sein können, aber auch, dass es nie zu spät für eine Geschlechtsangleichung ist.
Einer der Spätzünder in Sachen Coming-out war der Amerikaner Hurley Harris Haywood. Der dreimalige Le-Mans-Sieger hielt seine Homosexualität lange geheim, obwohl sie ihn stark belastete. Er ist einer der erfolgreichsten Fahrer im Sportwagenrennsport mit einer enormen Erfolgsliste, darunter fünf Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Daytona – ein Rekord –, drei in Le Mans und zwei in Sebring.

Öffentlich outete er sich jedoch erst in einer Dokumentation von Patrick Dempsey über seine Karriere. Zuvor hatte er sich bereits 2018 in seiner Autobiografie als schwul geoutet. Anlässlich des 50. Jahrestages der Stonewall-Unruhen zählte ihn das Online-Magazin Queerty zu den 50 "bahnbrechenden Persönlichkeiten, die sich aktiv dafür einsetzen, dass sich die Gesellschaft weiterhin in Richtung Gleichberechtigung, Akzeptanz und Würde für alle queeren Menschen bewegt“.
Eine große Hürde während seiner Karriere war die ständige Angst vor dem Coming-out und der äußere Druck. Besonders in den 1970er und 1980er Jahren hätte dies das Ende seiner Karriere bedeuten können. Natürlich brodelte die Gerüchteküche im Fahrerlager ständig. Erst als er 2018 seine Karriere beendete, heiratete er seinen langjährigen Freund Steve Hill.
Er erzählte Queerty, wie es zu diesem Wechsel kam: Ein Highschool-Schüler bat ihn um ein Interview über Motorsport. Der Schüler outete sich während des Interviews und berichtete, wie viel Leid und Diskriminierung er dadurch erfahren hatte. Haywood erklärte diesem Schüler, dass es nicht wichtig sei, was man sei, sondern wer man sei. Andere würden sich langfristig nur an Letzteres erinnern. Die Mutter dankte Haywood später dem jungen vor dem Suizid bewahrt zu haben und inspirierte Haywood, nicht nur das Leben dieses Jungen zu retten, sondern das von möglichst vielen anderen in ähnlichen Situationen.
Ein aktuelleres Beispiel ist die britische Fahrerin Abbie Eaton, eine etablierte Rennfahrerin in verschiedenen Motorsportdisziplinen. Neben Erfolgen im Kartsport, Rallycross, GT, Formel-Rennsport und Porsche Carrera Cup war sie auch Testfahrerin für die Fernsehsendung "The Grand Tour“.

Eaton outete sich mit 17 Jahren als lesbisch und hatte unter anderem eine Beziehung mit einer anderen W-Series-Fahrerin. 2019 schloss sie sich der LGBTIQA+-Motorsportbewegung Racing Pride an. Sie erklärt: „Racing Pride bietet die Möglichkeit zu zeigen, dass die Welt, die wir lieben, ein einladendes Umfeld für LGBTIQA+-Personen wie mich sein kann.“ Sie wurde damals neben Sarah Moore, Richard Morris und Charlie Martin die vierte Botschafterin der Organisation und hofft, andere zu inspirieren. Sie geht einfach ihren eigenen Weg durch den Motorsport, ist offen für sich selbst und findet die Chance fantastisch.
2023 war Eaton Mitbegründerin von Rebelleo Motorsport, dessen Ziel es ist, den Status quo herauszufordern und Barrieren im Motorsport abzubauen. Das Projekt möchte allen Menschen die Möglichkeit zum Fahren geben, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Queerness oder Glauben. Das Team nahm am Lamborghini Super Trofeo und dem Porsche Carrera Cup GB teil.
Charlie Martin, bereits als Racing Pride-Botschafterin erwähnt, verdient ebenfalls eine Erwähnung. Neben ihrer erfolgreichen Motorsportkarriere engagiert sie sich auch als Vloggerin und Aktivistin für Transgender. Nachdem sie mit ihren Brüdern die 24 Stunden von Le Mans besucht hatte, wurde sie selbst Rennfahrerin und setzte sich zum Ziel, als erste trans Frau an diesem Rennen teilzunehmen. Derselbe Erfolg gelang ihr 2020 bei den 24 Stunden vom Nürburgring.
Dort fuhr sie den Start, den Restart nach der nächtlichen Sturmunterbrechung und die Zieleinfahrt. Sie belegte den 52. Platz von über 100 Teams und erreichte den vierten Platz in ihrer Klasse. Ein Jahr später startete sie mit dem überwiegend weiblichen Driverse Team in der ADAC GT4. 2019 und 2024 durfte sie im Rahmenprogramm der 24 Stunden von Le Mans auf der historischen Rennstrecke La Sarthe (Name der Le Mans Rennstrecke) fahren und erreichte beide Male als erste trans Frau einen Podiumsplatz.
Martins Geschlechtsidentität wurde schon früh deutlich. Nachdem sie im Alter von sieben Jahren einen Artikel über eine trans Frau gelesen hatte, wusste sie, dass dies der richtige Weg für sie war. Der Artikel über Caroline Cossey war ein echter „Heureka-Moment“. 2012 legte Martin eine Pause vom Motorsport ein, um sich auf ihre körperliche Transition zu konzentrieren.
Im selben Jahr änderte sie ihre Geschlechtseintrag und unterzog sich mehreren Geschlechtsangleichungen und Schönheitsoperationen. 2013 nahm sie den Motorsport wieder auf. Neben ihrer Zeit auf der Rennstrecke engagiert sich Martin stark für LGBTIQA+-Personen und setzt sich für mehr Akzeptanz, insbesondere für Transgender, ein. Ihre prominente Stellung verhalf ihr auch außerhalb der Rennstrecken zu großer Bekanntheit. Hierbei ist zu erwähnen, dass ihre Karriere bis dahin noch nicht das Ausmaß erreicht hatte um ein Vermögen für die Transition aufzubauen und ihre Karriere Highlights erst danach erfolgten.

Während ihrer Zeit bei der Ginetta GT5 Challenge 2018 leitete sie eine Kampagne, bei der Fahrer ermutigt wurden, Regenbogenaufkleber an ihren Autos zu tragen, um den Pride Month zu feiern. Ihr Ziel mit solchen Kampagnen war es, mehr Gleichberechtigung im Motorsport zu fördern. Zu ihrem Wunsch, die erste trans Frau zu sein, die in Le Mans fährt, sagt Martin: "Ich finde es wichtig, dass Menschen in diesen Positionen sichtbar sind. Menschen aus der LGBTIQA+-Community sind in allen Sportarten und Lebensbereichen vertreten und inspirieren und ermutigen andere.“
Durch ihr Engagement in diesem hart umkämpften, männerdominierten Bereich wurde sie auch Stonewalls erste Sportbotschafterin. Durch eine Kombination aus Erfahrungen, gesammelten Geschichten und Selbsttests hat sie inzwischen über 500 Klienten darin unterrichtet, queere Menschen besser zu unterstützen.
Sie ist heute Partnerin und Botschafterin vieler Wohltätigkeitsorganisationen für queere Menschen. Dazu gehören neben den bereits erwähnten Racing Pride auch "Mermaids“, "Athletes Ally“ und die Diversity-Abteilung von "Motorsport UK“. Darüber hinaus ist sie eine gefragte Expertin für TV, Radio und Zeitschriften. Zusätzlich war sie als Partnerin von BMW, Sky, der britischen Vogue und vielen anderen bei CSD- und Pride-Veranstaltungen tätig und gilt als wichtige und vertrauenswürdige Rednerin.

Natürlich gibt es nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Organisationen, die sich für die Sichtbarkeit von Queer im Sport einsetzen. Dazu gehören vor allem die Diversity-Programme nationaler und internationaler Motorsportverbände wie der FIA, des DMSB oder Motorsport UK. Es gibt aber auch unabhängige Organisationen, die erfreulicherweise zunehmend an Einfluss gewinnen. Eine dieser Organisationen ist Racing Pride.
Die Organisation gilt als führende Gruppe in der Förderung der Inklusion von LGBTIQA+-Personen. Ihr selbst auferlegtes Ziel ist es, die Motorsportwelt zu vereinen und bedeutende, dauerhafte positive Veränderungen herbeizuführen. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern begrüßt Racing Pride queere Motorsportler und -profis aus allen Bereichen, unterstützt sie und fördert ihre Präsenz im Sport, indem sie ihre Erfolge hervorhebt, Erfahrungen austauscht und verschiedene Pride-Events veranstaltet, auch direkt an den Rennstrecken. Gleichzeitig bietet Racing Pride über seine Partner Möglichkeiten zur Teilnahme am Motorsport.
Die gemeinnützige Organisation finanziert sich nicht nur durch Sponsoren und Partner, sondern vor allem durch Spenden und Mitgliedschaften aus der Queer-Community. Dies ermöglicht die Einrichtung eines "Pride Hubs“, der zu den Rennstrecken reist; für Community-Mitglieder, die nicht vor Ort sein können, gibt es einen digitalen Raum, Trainingseinheiten, Quizze und vieles mehr. Veranstaltungen vor Ort sind jedoch auf Großbritannien beschränkt. Zudem gibt es über die Kontakte immer wieder Jobangebote für queere Menschen.

Durch digitale Initiativen werden zusätzliche Gruppen und Veranstaltungen gegründet, die die Community weiter stärken und gleichzeitig unabhängig agieren. Ein Beispiel ist das Race for a Cause, das seit 2024 jährlich stattfindet – ein Sim-Racing-Event zur Unterstützung von LGBTIQA+-Anliegen. Bereits zweimal konnten durch Startgelder und Spenden während des 24-Stunden-Rennens Spenden gesammelt werden, Tendenz deutlich steigend. 2025 waren die Spendensummen fünfmal höher als 2024, und die Teilnehmerliste füllte sich schnell.
Ein Beispiel vom Jahresanfang zeigt, wie wichtig das Engagement unabhängiger Diversity-Organisationen sein kann. Der Sports Car Club of America, der große Teile des amerikanischen Motorsports reguliert, präsentierte eine überarbeitete Version seines Grundregelwerks.
Die Änderungen an den Fahreranforderungen waren auffällig: Die übliche geschlechtsneutrale Formulierung "they“ wurde komplett in "he“ geändert, was darauf hindeuten könnte, dass das männliche Geschlecht eine Voraussetzung für den Motorsport innerhalb der SCCA sei. Die Formulierung "he/him/his“ umfasste auch den medizinischen Bereich, einschließlich Schwangerschaft.
Die Nachricht wurde unter anderem von der Organisation Shift Up Now, deren Hauptaufgabe darin besteht, Entwicklungsprogramme und Unterstützung für Frauen im Motorsport anzubieten, in den sozialen Medien verbreitet. Innerhalb weniger Stunden brach auf den Social-Media-Kanälen des SCCA heftiger Protest aus, und die geplanten Regeländerungen wurden zurückgezogen. Es folgte eine formelle Entschuldigung und eine Überarbeitung des Regelwerks mit Diversity-Experten, um es inklusiver als die ursprünglichen Vorschriften zu gestalten.
NASCAR setzt sich derzeit auch mit Problemen im Zusammenhang mit Pride und LGBTIQA+ auseinander. Obwohl einige queere Personen innerhalb der Organisation und ihrer Rennserien eine prominente Rolle spielen, mangelt es NASCAR an ausreichender Unterstützung, die angesichts der allgemeinen Entwicklungen in den USA besonders gering ist. Damit ist NASCAR der erste Motorsportverband, der sich aus diesem Thema zurückzieht und massiver Kritik ausgesetzt ist.
Der diesjährige Beitrag beschränkt sich auf einen einzigen Beitrag auf der LinkedIn-Plattform; der Textbeitrag „Celebrating the LGBTQ+ community during Pride Month and beyond“ wirkt wie Rainbow-Washing, bei dem die Einbeziehung queerer Personen ausschließlich zu Marketingzwecken genutzt wird.
Anhand dieser letzten beiden Ereignisse lässt sich auch der zunehmende Einfluss rechter, faschistischer Strömungen sehen. In den letzten Monaten und Jahren haben einflussreiche Personen wie der US-Präsident, Senatoren verschiedener Länder und viele mehr Stimmung gegen Queere und vor allem trans Personen gemacht und je lauter es bei ihnen wurde, umso mehr zogen sich beteiligte aus ihrer positiven Unterstützung zurück, wodurch derartige Entwicklungen möglich waren. Auch andere Personen deren Macht auf ihr Vermögen, welches sie für ihre Hetzjagd einsetzen, beruht sind immer ganz vorne dabei queere Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft auszublenden. Dabei gehen Menschen wie die Autorin Rowling Teilweise soweit den Holocaust zu verleumden oder Gelder an Terrororganisationen zu spenden. Glücklicherweise ist die Motorsportwelt derzeit stark genug um sich gegen solche Angriffe zu wehren.
Der Juni ist Pride Month und wird genutzt, um queeres Leben zu feiern, die Errungenschaften grundlegender Menschenrechte zu würdigen, an die langen und harten Kämpfe um diese zu erinnern und queere Kultur sichtbar zu machen. Angesichts zunehmender Diskriminierung, Hassrede und Hassverbrechen sind viele stolz darauf, trotz allem zu überleben. Wie alle anderen wollen wir leben, lieben und sein können, wer wir sind, mit gleichen Rechten, ohne uns verstecken zu müssen. Auch wir Queers haben Interessen und Hobbys und wollen ihnen nachgehen, auch im Sport. Wir wollen keine Vorteile erlangen oder nicht-queere Menschen queer machen, sondern, genau wie sie, überleben, idealerweise indem wir das tun, was wir lieben.
Insbesondere der Motorsport gilt als reine cis-heterosexuelle Männerdomäne, doch die Geschichte zeigt, dass nicht nur Frauen, sondern auch queere Menschen, die gegen Hass und Diskriminierung gekämpft haben, große Veränderungen bewirkt und große Beiträge geleistet haben. Queers sind im Motorsport genauso unverzichtbar wie im Rest der Gesellschaft.

Es gab sie schon immer und wird sie auch immer geben – unsere Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart zeigen, wie wichtig es ist, diese Themen offen anzusprechen, anstatt Menschen aufgrund unveränderlicher Eigenschaften vom Sport auszuschließen oder ihnen die Freuden des Lebens zu verwehren. Sie zeigen auch, was bereits erreicht wurde, welche Fortschritte erzielt wurden und was möglich ist, wenn man trotz aller Widrigkeiten durchhält.
Sie zeigen aber auch, dass es noch ein weiter Weg ist – wahre Gleichberechtigung ist noch nicht erreicht. Gerade im Motorsport sollte diese leichter erreichbar sein als in vielen anderen Sportarten: Fahrer*innen stehen vor den gleichen Aufgaben, den gleichen Herausforderungen und verlassen sich gleichermaßen auf ihre Maschinen. Sexualität oder Geschlecht bestimmen nicht die Leistung, was den Motorsport zum perfekten Ort für die Förderung von Gleichberechtigung macht. Motorsport war schon immer von Innovation geprägt und hat immer Pionierarbeit geleistet – warum also nicht auch im Bereich Diversität?
Der Einfluss dieser Akteure und Initiativen wird uns noch lange in Erinnerung bleiben und zukünftige Generationen inspirieren. Sie helfen jungen Menschen, ihren Platz für sich selbst zu finden – vielleicht sogar eine Leidenschaft dafür zu entdecken – in einer Welt, die queeren Menschen nicht immer offen gegenübersteht. Mit der wachsenden Akzeptanz in den letzten Jahrzehnten (trotz einiger Rückschläge) hat die Beteiligung von Queers stetig zugenommen.
Natürlich konnten wir nicht alle Athleten einbeziehen, und es gibt sicherlich noch viele unerzählte Geschichten – aber der Fortschritt ist unbestreitbar. Wir müssen Diversität weiterhin feiern und unterstützen – nicht nur im Pride Month, sondern das ganze Jahr über, sowohl auf als auch abseits der Rennstrecke.